Posts mit dem Label Egon Bahr werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Egon Bahr werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 18. September 2017

Der diskrete Nazismus des Vierten Reiches Teil 3: Die Außenpolitik der Nazis im Kalten Krieg und die große Revanche


Die Außenpolitik des neuen Staates ist nicht weniger aussagekräftig. In seinen ersten Jahren war dieser Staat vor allem auf eine Integration ins westliche Bündnissystem ausgerichtet, die zur deutschen begrenzten Wiederbewaffnung und zur Mitgliedschaft in der Westeuropäischen Union und in NATO führte. Diese Politik hatte nichts mit den Interessen der Bevölkerung zu tun und nicht zufällig erhielt Konrad Adenauer von der Opposition den Titel „Kanzler des Westens“ was für die volle Unterstellung der deutschen Außenpolitik den Interessen der westlichen Mächten sprach. Erstens, war die Beteiligung an neuen internationalen Spannungen in einem vom Krieg völlig zerstörten Land äußerst unpopulär und zweitens, der Preis dieser Integration war zu hoch – die Teilung des Landes in zwei einzelne und gegenüberstehende Staaten. Stalin machte in 1952 das Angebot  „die Wiedervereinigung Deutschlands in den damaligen Grenzen und aufgrund von „“freien Wahlen“ zu akzeptieren, falls die Bundesrepublik auf ein Bündnis mit dem Westen verzichten und sich mit einer rein defensiven Armee begnügen würde“. Die Westmächte wagten sogar nicht dieses Angebot definitiv abzulehnen, sie stellten nur Bedingungen, die die die Sowjetunion nicht annehmen konnte.

Diese Situation erklärt, warum die Wiederbewaffnung und die westliche Integration zum Hauptthema der Gegenüberstellung zwischen den als Demokraten getarnten regierenden Nazis und der eigentlichen, vor allem linken, Opposition wurde. Das Problem wurde nach dem berühmten Bismarck's Formula „mit Zucker und mit Peitsche“, aber mit typisch nazistischem Extremismus gelöst. Die „Peitsche“ war die Terrorpolitik, die ich oben beschrieben haben. Die „Zucker“ war der westdeutsche ökonomische Aufschwung, bekannt als das „ökonomische Wunder“. Wunder gibt es aber nicht, die „Zucker“ wurde von den Westmächten beschaffen und damit meine ich den „Marschall Plan“ und den Zugang zu Rohstoffen und zu den besten Exportmärkten.

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Neue Ostpolitik des Vierten Reiches. Bis heute und ohne Ausnahme, auch in Russland, bezeichnet man diese Politik genau so, wie ihre Schöpfer (ich meine vor allem Egon Bahr und Willy Brandt) sie vorgestellt haben – als Politik der Entspannung, der Normalisierung der Beziehungen der BRD zu den osteuropäischen Ländern und vor allem zur DDR und zur Sowjetunion, die auf die Rechte zur Existenz beider Gesellschaftssysteme und auf ihren Ausgleich, also auf die Theorie der Konvergenz (formuliert bei Egon Bahr als „Wandeln durch Annäherung“), beruht. 

In Wirklichkeit war das wahre Hauptziel dieser Politik durch engere Beziehungen und Zusammenarbeit mit dem Osten sein politisches System zu destabilisieren und letztendlich zu zerbrechen. Ich muss betonen, dass die Neue Ostpolitik ihr Hauptziel mehr als erfolgreich erfüllt hat.

Um diese Politik zu verstehen, muss man die Umstände, unter denen sie entwickelt und verwirklicht wurde, in Acht nehmen. Sie basiert sich auf das Verständnis, dass man alleine durch Gegenüberstellung das sozialistische System nicht besiegen kann. Der Zweite Weltkrieg und der Koreakrieg hatten eindeutig gezeigt, dass die Kapazität dieses Systems zur Mobilisierung der Ressourcen viel überlegender ist als diese des Westens.

Mitte der 50er Jahre hat man in der Sowjetunion das unter Stalin eingeführte Wirtschaftsmodel abgeschafft. Dieses Model setzte auf Maximierung des Produktionsvolumens und auf Minderung der Produktionskosten, wobei der personelle Einsatz (und nicht die Stellung) sehr hoch auch materiell stimuliert wurden. Dieses System  steht hinter dem enormen ökonomischen Wachstums und vor allem hinter der technologischen Revolution der Sowjetunion und praktisch hinter allen bedeutenden Errungenschaften und Projekte der Sowjetunion, einschließlich im Bereich der Atomenergie und der Weltraumfahrt. Dieses Model machte Wissenschaftler und Spezialisten, besonders im technischen Bereich, zu den reichsten Menschen im Land. Da die Planwirtschaft nicht alle wachsenden Bedürfnisse der Bevölkerung vorsehen konnte,  gab es in der Sowjetunion Produktionskooperationen (im Grunde Privatunternehmen, wo jeder Angestellte Miteigentümer war), die etwa 6% des Bruttoinlandsproduktes gaben. Etwa 40% des statistischen russischen Haushalts, einschließlich die ersten Lampenradios und die ersten Fernsehapparate, wurden in solchen privaten Kooperationen hergestellt.

Das neue Wirtschaftsmodel, offiziell genannt Rentabilitätsmodel bleibt in der Geschichte mit den Bezeichnungen „Kostenwirtschaft“ und „Gleichmacherei“. Die erste kommt davon, dass man in der Abwesenheit eines Marktes den Profit nur als Prozent auf der Basis der Produktionskosten berechnen konnte und das stimulierte nicht die Minderung der Kosten, wie früher, sondern ihre Erhöhung. Die Notwendigkeit für technologische Erfindungen fiel natürlich aus. Die zweite Bezeichnung versteht die Wegnahme der materiellen Stimulierung für die Arbeitskollektive und für die meisten Fachleute. Diese Stimulierung wurde ein Vorrang der leitenden Kadern. Die privaten Kooperationen wurden nationalisiert.  Als Ergebnis gerieten das ökonomische Wachstum und die technologische Entwicklung ins Stocken. Die neuen reichsten Leute waren diejenigen, die von dem Warenmangel profitierten, also die Spekulanten.

In 1956, auf dem 20. Parteitag der KPdSU machten Khrushchev und seine engsten Komplicen ihre persönliche Abrechnung mit Stalin, in dem sie anstatt die Entwicklungen  in der Stalin-Ära, sowohl mit Bezug auf die Fehler und die Errungenschaften, tief zu analysieren um die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, ihm alle begangenen Verbrechen und alle bedeutenden Fehler jener Zeit zugeschrieben haben (ohne etwas Positives überhaupt zu sehen) und die Anzahl der Terroropfer stark manipuliert haben. Trotz ihrer Bemühungen, jegliche Dokumentation ihrer eigenen Teilnahme zu vernichten, ist heute Korrespondenz zwischen Khrushchev und Stalin bekannt worden, in dem auf das Bestehen des ersten, die Quote für Hinrichtungen in Ukraine zu vergrößern (Khrushchev war Parteisekretär der Ukraine), antwortete Stalin mit der folgenden Resolution: „Dummkopf, denk mehr nach!“

Die totale Verunglimpfung der Stalin-Epoche führte zu einer ideologischen Krise des Kommunismus und zur Spaltung der kommunistischen Bewegung. Alles das beeinflusste die Stimmungen im sozialistischen Lager. Die Entstehung und Entwicklung der ökonomischen und ideologischen Krisen machten die Entstehung einer politischen Krise des Systems eine Frage der Zeit. Dazu wurde man schnell im Westen klar darüber, dass die neuen Machthaber im Osten (die Änderungen in Moskau resultierten in analogische Änderungen im Ostblock) nicht die Kapazität hatten, die entstandenen Probleme zu lösen.

Inzwischen hatte man in den 50er Jahren Westberlin zu einer Luxusvitrine des Westens verwandelt, was die DDR-Bürger mehr und mehr lockte und Ende der 50er Jahre verlor DDR immer mehr Fachleute und qualifizierte Arbeitskraft. Der Aufbau der Berliner Mauer – für mich eine typisch deutsche Lösung eines spezifischen deutschen Problems, die politisch äußerst köstlich war, konnte als jede Zwangslösung nur zeitweilig wirksam sein, aber er blieb die einzige Lösung bis zum Fall der Mauer.

Also, in 1963, als Egon Bahr zum ersten mal die neue Ostpolitik generell formulierte, hatten die klügsten westdeutschen Politiker verstanden, dass nun, als die Mauer da stand und die Krise im Ostblock entstanden war, ohne irgendwelche Lösung in Sicht, mussten sie selbst diese Mauer überspringen um die Ereignisse zu beeinflussen, respektive den Zerfall des sozialistischen Systems sicherzustellen und zu beschleunigen. Diese Mauer überspringen konnten sie aber nur, wenn nicht als Freunde, wenigstens als wertvolle und zulässige Partner, die einige Lösungen für die ökonomischen Probleme im Osten anbieten konnten. Ich bemerke für diejenigen von Ihnen, die glauben, dass die Entwicklung der Neuen Ostpolitik eher von der Karibischen Krise beeinflusst wurde, dass in den 60ern Jahren nur USA und die Sowjetunion über den Krieg und Frieden entschieden.

Bemerkenswert ist, dass die Durchführung der Neuen Ostpolitik in 1969, also ungefähr ein Jahr nach dem Prager Frühling und deren militärischen Niederschlagung, begann. Der Prager Frühling selbst war ein Ergebnis und eine Erscheinung der entstandenen politischen Krise im Osten, die die Probleme, die ihre Lösung finden sollten, deutlich machte. Die Spitzen des Ostens beschlossen, den Prager Frühling militärisch niederzuschlagen, weil sie weder Lösungen finden wollten, noch konnten und weil sie   eine Internationalisierung der Reformforderungen, die zum Sturz ihrer eigenen Macht führen könnte, fürchteten. Die Begründung für die Niederschlagung – dass es in der Tschechoslowakei in 1968 um eine Konterrevolution ging, sind völlig falsch. Laut eine Umfrage sprachen sich im Juli 1968 89%  der tschechoslowakischen Bevölkerung für  eine Beibehaltung des Sozialismus aus. Etwa 500 000 Kommunisten wurden nach der Niederschlagung von der Partei ausgeschlossen. Selbst der Westen unternahm nichts, außer die Ereignisse zu seinen Propagandazwecken zu benutzen. Keiner da wollte eine Reformierung bzw. eine Stärkung des Kommunismus.         

Hauptsache ist, dass die tschechoslowakischen Ereignisse deutlich gezeigt hatten, dass  eine totale Krise des Ostblocks im Gang war und der richtige Zeitpunkt für die neue Ostpolitik gekommen war. Nach den Unterzeichnungen der bilateralen Grundverträge (oft  bezeichnet als Gewaltverzichtsverträge) folgten ökonomische Vereinbarungen, und  der Bedarf des Ostens an westlicher Technologie und am Import entsprechender Technik wurde immer mehr gesättigt. In der ersten Hälfte der 70er machten auch die Amerikaner mit und es kam zu mehreren und bedeutenden Abrüstungsverträgen zwischen den beiden  Großmächten. Die Entspannungspolitik kulminierte in der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki auf der ersten Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (mit der Beteiligung der Vereinigten Staaten und Kanada) im August 1975. 

Die Schlussakte von Helsinki ist von fundamentaler Bedeutung für das Verständnis der Ostpolitik und deshalb werde ich sie hier diskutieren. Sie ist kein völkerrechtlicher Vertrag, sondern eine  selbst verpflichtende Erklärung aller 35 Teilnehmerstaaten. Sie besteht aus vier Abschnitten, von denen drei von prinzipieller Bedeutung sind. Abschnitt 1 „Fragen der Sicherheit in Europa“ enthält zehn Leitprinzipien, darunter Enthaltung von der Androhung oder Anwendung von Gewalt, Unverletzlichkeit der Grenzen in Europa, Territoriale Integrität, Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, sowie ein Dokument über vertrauensbildende Maßnahmen. Abschnitt 2 behandelte die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Umwelt. Abschnitt 4 behandelte Grundsätze der Zusammenarbeit in humanitären und kulturellen Bereichen und sah die Entwicklung von menschlichen Kontakten vor (gemeint waren Kontakte und regelmäßige Begegnungen auf der Grundlage familiärer Bindungen, Familienzusammenführung, Eheschließungen, Reisen aus persönlichen oder humanitären Gründen, Begegnungen der Jugend, die Verbesserung der Verbreitung von, des Zugangs zu und des Austausches von Informationen, Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Journalisten, Zusammenarbeit und Austausch im Bereich der Bildung).

Ich möchte noch einiges zum Kapitel VII „Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Gedanken-, Gewissens-, Religions-, oder Überzeugungsfreiheit für alle achten“ des Abschnitts 1 hinzufügen. Sowohl der Titel des Kapitels als auch seinen Text zeigen eindeutig, dass die Schlussakte die westliche Interpretation der Menschenrechte, also die individuelle Rechte, und nicht die östliche Interpretation, also die soziale Rechte anerkannt hat. Also in der Schlussakte geht es nicht um Konvergenz, sondern um eine echte Kapitulation des Ostens. Was die individuelle Menschenrechte angeht, soll man nicht vergessen, dass im Westen ein bedeutender Teil der Staatsgewalt durch die Organisierte Kriminalität verwirklicht wird, während im Osten keine Organisierte Kriminalität existierte und existieren konnte. Dazu sind Entlassungen vom privaten Sektor wegen politischem Aktivismus keine Verantwortung des Staates, während im Osten die ganze Wirtschaft vom Staat kontrolliert wurde. Zusätzlich wurden in diesem Kapitel die Rechte der Repräsentanten der Minderheiten hervorgehoben. Die Grenzen der westeuropäischen Länder sind viel älter als diese der osteuropäischen und zur Zeit der Unterzeichnung der Schlussakte hatten die ersten entweder keine Minderheiten oder die Beziehungen zu den Minderheiten waren längst geregelt. Dagegen haben die osteuropäischen Länder ausnahmslos bedeutende Grenzänderungen im 20. Jahrhundert erlebt, wobei nicht nur fast überall nationale Minderheiten zu sehen waren, sondern es ging oft um ethnische und zugleich religiöse, einschließlich muslimische Minderheiten.

Kapitel VII hat die Begründung für die Einmischung des Westens im Osten geschafft, während Abschnitt 4 die Kanäle dieser Einmischung deutlich machte. Die Schlussakte von Helsinki bleibt bis heute das beste Meisterstück der Anwendung der „sanften Macht“ („soft power“) und das meist überzeugende Zeugnis ihrer Wirkung. Nach der Unterzeichnung dieser Akte war der Zerfall des sozialistischen Systems nur eine Frage der Zeit. Jahrzehnte, um die kommunistische Ideologie zu bekämpfen, musste der Westen den sozialen Staat unterhalten, die Einkommen der Bevölkerung erhöhen und die bürgerlichen Rechte wenigstens in seinen eigenen Ländern formell zu respektieren. Das alles hat nach der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki aufgehört und das Signal dazu wurde vom Klub von Rom gegeben. Nicht zufällig genau im 1975 erschien das Buch von Samuel Huntington „Die Krise der Demokratie“ in der der Verfasser behauptet, dass der Überschuss von Demokratie eine Gefahr für den Westen darstellt.

Die Schlussakte von Helsinki war zugleich ein Meisterstück der Gemeinheit und der Doppelmoral. Nicht nur weil diejenigen, die in den 70er die Menschenrechte verteidigten, heute den Menschenhandel treiben. Nehmen wir die Forderung für Begegnungen der Jugend. Zurück Anfang der 50er haben die westdeutschen Behörden alles Mögliche gemacht, um Treffen der Jugend aus beiden Teilen Deutschlands zu verhindern. Selbst die Beteiligung an solchen Treffen war für die westdeutschen Jugendlichen strafbar. Ein Beispiel: Für den ersten Deutschlandtreffen in 1950 musste man die westdeutschen Teilnehmer (etwa 10 000 Jugendliche) eigentlich in die DDR schleusen. Beim Rückkehr nahe Lübeck wurde ihnen die Rückreise in die Bundesrepublik verweigert wegen angeblicher Seuchengefahr und man verlangte von ihnen sich ärztlicher Untersuchung und namentlicher Registrierung zu unterziehen.  Wegen Furcht vor beruflichen Nachteilen haben die Jugendlichen abgesagt und man erlaubte ihnen die Einreise ohne Formalitäten erst nur nachdem sie zwei Tage auf der DDR-Seite des Grenzübergangs kampiert hatten. Was die Nazis in 1950 bestraften, genau das forderten sie 25 Jahre später von den Ostländern. Fast 30 Jahre nach dem Sieg des Westens im Kalten Krieg stellen sich die Fragen: gibt es noch Prinzipien aus der Schlussakte, die der Westen nach seinem Sieg nicht verletzt hat und wie viele dieser Prinzipien hat er mit seiner Politik nur gegenüber Jugoslawien abgebrochen.          

Die Leiter des Ostblocks, die immer mehr mit dem Einfuhr von westlichen Technologien und Ausrüstung rechneten und von diesem Einfuhr immer mehr abhängig wurden, hatten erwartet, dass mit der Unterzeichnung der Schlussakte ihr künftiger Bedarf an Technologien garantiert sein würde. Bald mussten sie aber lernen, dass die wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit mit dem Westen von ihrer Beachtung der Menschenrechte und von ihrer Zusammenarbeit in der humanitären Sphäre abhängig waren. Maßmedien, Geheimdienste, „unabhängige Organisationen“ - die ganze westliche Maschine wurde in Gang gesetzt, um den Ostblock zu destabilisieren. Bald entstanden Bewegungen von Regimekritikern in den meisten osteuropäischen Ländern wie Charta 77 in der Tschechoslowakei und Solidarnosc in Polen. Mit Ausnahme von Polen waren diese Bewegungen, trotz ihrer Unterstützung vom Westen und wegen der mangelnden Unterstützung von der Bevölkerung, zu schwach um den Zerfall des Systems hervorzurufen. Kein Sturz des Systems von unten, auch in Polen, war in Sicht. Unter diesen Umständen unternahm der Westen eine neue Verteilung der Arbeit und der Rollen. Während die Angelsachsen einen Kursus der Konfrontation zwecks einer Erschöpfung bis zum Zerfall des Ostblocks einleiteten, setzte Westdeutschland seine Ostpolitik der Entspannung fort und sogar erweiterte sie mit dem Erdgasgeschäft mit der Sowjetunion. Dieses Geschäft versorgte die BRD mit billigem Gas, was ihre Wirtschaft noch konkurrenzfähiger machte, während die Sowjetunion sich harte Währung verdiente, mit der sie weitere Technologien und Ausrüstung, schon vor allem aus Ländern wie Deutschland, Österreich und Italien weiter kaufen durfte. Aber dieses Erdgasgeschäft, wie auch das wachsende Erdölgeschäft, spielte eine geopolitische Rolle, die fast nicht erwähnt worden ist. Durch dieses Geschäft hat man im großen und ganzen die sowjetische Wirtschaftsnomenklatur, unter der der Export von Mineralrohstoffe stand, nicht einfach bestochen, sondern gekauft. Bestechungen, Korruption und Bereicherung der Elite gehörte zum sowjetischen Alltag in den 80ern Jahren. Dieses Geschäft erlaubte aber ein unbekanntes Ausmaß der Bestechungen – erstens, wegen der Größe der Geschäfte, und zweitens, ihr Exportcharakter erlaubte Bankkontos im Westen zu öffnen, was jegliche Begrenzungen für die Summen abschaffte. Das könnte nicht lange dauern, ohne man die KGB Strukturen, die die Erdgas- und Erdölindustrien beobachteten, an sich zu gewinnen, also zu kaufen. Bemerkenswert ist, dass spätere Reformer wie Anatoly Chubais und selbst Michail Gorbatchov vom KGB-Chef Yuri Andropov promoviert wurden.

Kurzum, schon vor Gorbatchov's Eintritt bildete sich eine machtvolle und sehr reiche Schicht in der Sowjetunion, die den Sozialismus abschaffen wollte, weil sie ihr Reichtum legalisieren wollte und die von ihnen verwalteten Staatsaktiva für sich privatisieren wollte. Genau diese Schicht wurde die Antriebskraft der Perestroyka und des Zerfalls des Sozialismus. Die Umwandlungen im Ostblock sind vor allem eine Revolution von oben. Die Rolle der Dissidenten bestand in den meisten Ländern vor allem darin, „“leitende“ Kadern ("neue politischen Gesichter")für die Umwandlungen zu besorgen (die Hauptpersonen bevorzugten nach westlichem Muster selber im Schatten zu bleiben) und genügend Mengen von Menschen zu sammeln, so dass sie bestimmte Stadtteile (wie Stadtplätze) ausfüllen konnten um den Eindruck zu schaffen, dass die Völker rebellierten. KGB hat ihren Einfluss und Netzwerke in Osteuropa auf Anweisung von Gorbatchov dazu ausgenutzt, die Umwandlungen und der Sturz der ehemaligen Verbündeten der Sowjetunion, oftmals in enger Zusammenarbeit mit westlichen Geheimdiensten, einschließlich und vor allem mit CIA, voranzutreiben. Die Belohnung darüber war, dass die Neuen Reichen in Russland unbegrenzt nach Westen reisen und dort Bankkontos eröffnen und Immobilien einkaufen durften. Während man den größten Teil der Beute von dem Raub Russlands nach Westen transferierte (offiziell ging es um jährliche Summen nicht weniger als 40 – 50 Milliarden Dollars), bettelte die russische Regierung den Westen in den 90igern um teure Löhne von nur einigen Milliarden Dollars.

Ich bezeichne die Neue Ostpolitik und ihr Beitrag zum Sturz des Sozialismus und der Sowjetunion als die große Revanche des deutschen Nazismus für die Niederlage, die das Dritte Reich von der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg erlitten hat. 

     

Die Ursachen für den Zerfall des sozialistischen Systems (und der Zerfall der Sowjetunion ist eine Folge des Zerfalls dieses Systems) liegen Im System selbst, aber durch die Schlussakte und seiner Politik der Entspannung stellte der Westen sicher, dass sich der Ostblock nicht mehr entwickeln würde und beschleunigte seinen Zerfall.