Die Außenpolitik des neuen Staates ist
nicht weniger aussagekräftig. In seinen ersten Jahren war dieser Staat vor
allem auf eine Integration ins westliche Bündnissystem ausgerichtet, die zur
deutschen begrenzten Wiederbewaffnung und zur Mitgliedschaft in der
Westeuropäischen Union und in NATO führte. Diese Politik hatte nichts mit den
Interessen der Bevölkerung zu tun und nicht zufällig erhielt Konrad Adenauer
von der Opposition den Titel „Kanzler des Westens“ was für die volle
Unterstellung der deutschen Außenpolitik den Interessen der westlichen Mächten
sprach. Erstens, war die Beteiligung an neuen internationalen Spannungen in
einem vom Krieg völlig zerstörten Land äußerst unpopulär und zweitens, der
Preis dieser Integration war zu hoch – die Teilung des Landes in zwei einzelne
und gegenüberstehende Staaten. Stalin machte in 1952 das Angebot „die Wiedervereinigung Deutschlands in den
damaligen Grenzen und aufgrund von „“freien Wahlen“ zu akzeptieren, falls die
Bundesrepublik auf ein Bündnis mit dem Westen verzichten und sich mit einer
rein defensiven Armee begnügen würde“. Die Westmächte wagten sogar nicht dieses
Angebot definitiv abzulehnen, sie stellten nur Bedingungen, die die die
Sowjetunion nicht annehmen konnte.
Diese Situation erklärt, warum die
Wiederbewaffnung und die westliche Integration zum Hauptthema der
Gegenüberstellung zwischen den als Demokraten getarnten regierenden Nazis und
der eigentlichen, vor allem linken, Opposition wurde. Das Problem wurde nach
dem berühmten Bismarck's Formula „mit Zucker und mit Peitsche“, aber mit
typisch nazistischem Extremismus gelöst. Die „Peitsche“ war die Terrorpolitik,
die ich oben beschrieben haben. Die „Zucker“ war der westdeutsche ökonomische
Aufschwung, bekannt als das „ökonomische Wunder“. Wunder gibt es aber nicht, die
„Zucker“ wurde von den Westmächten beschaffen und damit meine ich den
„Marschall Plan“ und den Zugang zu Rohstoffen und zu den besten Exportmärkten.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die
Neue Ostpolitik des Vierten Reiches. Bis heute und ohne Ausnahme, auch in
Russland, bezeichnet man diese Politik genau so, wie ihre Schöpfer (ich meine
vor allem Egon Bahr und Willy Brandt) sie vorgestellt haben – als Politik der
Entspannung, der Normalisierung der Beziehungen der BRD zu den osteuropäischen
Ländern und vor allem zur DDR und zur Sowjetunion, die auf die Rechte zur
Existenz beider Gesellschaftssysteme und auf ihren Ausgleich, also auf die
Theorie der Konvergenz (formuliert bei Egon Bahr als „Wandeln durch
Annäherung“), beruht.
In Wirklichkeit war
das wahre Hauptziel dieser Politik durch engere Beziehungen und Zusammenarbeit
mit dem Osten sein politisches System zu destabilisieren und letztendlich zu
zerbrechen. Ich muss betonen, dass die Neue Ostpolitik ihr Hauptziel
mehr als erfolgreich erfüllt hat.
Um diese Politik zu verstehen, muss
man die Umstände, unter denen sie entwickelt und verwirklicht wurde, in Acht
nehmen. Sie basiert sich auf das Verständnis, dass man alleine durch
Gegenüberstellung das sozialistische System nicht besiegen kann. Der Zweite Weltkrieg
und der Koreakrieg hatten eindeutig gezeigt, dass die Kapazität dieses Systems
zur Mobilisierung der Ressourcen viel überlegender ist als diese des Westens.
Mitte der 50er Jahre hat man in der
Sowjetunion das unter Stalin eingeführte Wirtschaftsmodel abgeschafft. Dieses
Model setzte auf Maximierung des Produktionsvolumens und auf Minderung der
Produktionskosten, wobei der personelle Einsatz (und nicht die Stellung) sehr
hoch auch materiell stimuliert wurden. Dieses System steht hinter dem enormen ökonomischen
Wachstums und vor allem hinter der technologischen Revolution der Sowjetunion
und praktisch hinter allen bedeutenden Errungenschaften und Projekte der
Sowjetunion, einschließlich im Bereich der Atomenergie und der Weltraumfahrt.
Dieses Model machte Wissenschaftler und Spezialisten, besonders im technischen
Bereich, zu den reichsten Menschen im Land. Da die Planwirtschaft nicht alle
wachsenden Bedürfnisse der Bevölkerung vorsehen konnte, gab es in der Sowjetunion
Produktionskooperationen (im Grunde Privatunternehmen, wo jeder Angestellte
Miteigentümer war), die etwa 6% des Bruttoinlandsproduktes gaben. Etwa 40% des
statistischen russischen Haushalts, einschließlich die ersten Lampenradios und
die ersten Fernsehapparate, wurden in solchen privaten Kooperationen
hergestellt.
Das neue Wirtschaftsmodel, offiziell
genannt Rentabilitätsmodel bleibt in der Geschichte mit den Bezeichnungen
„Kostenwirtschaft“ und „Gleichmacherei“. Die erste kommt davon, dass man in der
Abwesenheit eines Marktes den Profit nur als Prozent auf der Basis der
Produktionskosten berechnen konnte und das stimulierte nicht die Minderung der
Kosten, wie früher, sondern ihre Erhöhung. Die Notwendigkeit für technologische
Erfindungen fiel natürlich aus. Die zweite Bezeichnung versteht die Wegnahme
der materiellen Stimulierung für die Arbeitskollektive und für die meisten
Fachleute. Diese Stimulierung wurde ein Vorrang der leitenden Kadern. Die
privaten Kooperationen wurden nationalisiert.
Als Ergebnis gerieten das ökonomische Wachstum und die technologische
Entwicklung ins Stocken. Die neuen reichsten Leute waren diejenigen, die von
dem Warenmangel profitierten, also die Spekulanten.
In 1956, auf dem 20. Parteitag der
KPdSU machten Khrushchev und seine engsten Komplicen ihre persönliche Abrechnung
mit Stalin, in dem sie anstatt die Entwicklungen in der Stalin-Ära, sowohl mit Bezug auf die
Fehler und die Errungenschaften, tief zu analysieren um die richtigen
Schlussfolgerungen zu ziehen, ihm alle begangenen Verbrechen und alle
bedeutenden Fehler jener Zeit zugeschrieben haben (ohne etwas Positives
überhaupt zu sehen) und die Anzahl der Terroropfer stark manipuliert haben.
Trotz ihrer Bemühungen, jegliche Dokumentation ihrer eigenen Teilnahme zu
vernichten, ist heute Korrespondenz zwischen Khrushchev und Stalin bekannt
worden, in dem auf das Bestehen des ersten, die Quote für Hinrichtungen in
Ukraine zu vergrößern (Khrushchev war Parteisekretär der Ukraine), antwortete
Stalin mit der folgenden Resolution: „Dummkopf, denk mehr nach!“
Die totale
Verunglimpfung der Stalin-Epoche führte zu einer ideologischen Krise des
Kommunismus und zur Spaltung der kommunistischen Bewegung. Alles das
beeinflusste die Stimmungen im sozialistischen Lager. Die Entstehung und
Entwicklung der ökonomischen und ideologischen Krisen machten die Entstehung
einer politischen Krise des Systems eine Frage der Zeit. Dazu wurde man
schnell im Westen klar darüber, dass die neuen Machthaber im Osten (die
Änderungen in Moskau resultierten in analogische Änderungen im Ostblock) nicht
die Kapazität hatten, die entstandenen Probleme zu lösen.
Inzwischen hatte man in den 50er
Jahren Westberlin zu einer Luxusvitrine des Westens verwandelt, was die
DDR-Bürger mehr und mehr lockte und Ende der 50er Jahre verlor DDR immer mehr
Fachleute und qualifizierte Arbeitskraft. Der Aufbau der Berliner Mauer – für
mich eine typisch deutsche Lösung eines spezifischen deutschen Problems, die
politisch äußerst köstlich war, konnte als jede Zwangslösung nur zeitweilig
wirksam sein, aber er blieb die einzige Lösung bis zum Fall der Mauer.
Also, in 1963, als Egon Bahr zum
ersten mal die neue Ostpolitik generell formulierte, hatten die klügsten
westdeutschen Politiker verstanden, dass nun, als die Mauer da stand und die
Krise im Ostblock entstanden war, ohne irgendwelche Lösung in Sicht, mussten
sie selbst diese Mauer überspringen um die Ereignisse zu beeinflussen,
respektive den Zerfall des sozialistischen Systems sicherzustellen und zu
beschleunigen. Diese Mauer überspringen konnten sie aber nur, wenn nicht als
Freunde, wenigstens als wertvolle und zulässige Partner, die einige Lösungen
für die ökonomischen Probleme im Osten anbieten konnten. Ich bemerke für
diejenigen von Ihnen, die glauben, dass die Entwicklung der Neuen Ostpolitik
eher von der Karibischen Krise beeinflusst wurde, dass in den 60ern Jahren nur
USA und die Sowjetunion über den Krieg und Frieden entschieden.
Bemerkenswert ist, dass die
Durchführung der Neuen Ostpolitik in 1969, also ungefähr ein Jahr nach dem
Prager Frühling und deren militärischen Niederschlagung, begann. Der Prager
Frühling selbst war ein Ergebnis und eine Erscheinung der entstandenen
politischen Krise im Osten, die die Probleme, die ihre Lösung finden sollten,
deutlich machte. Die Spitzen des Ostens beschlossen, den Prager Frühling
militärisch niederzuschlagen, weil sie weder Lösungen finden wollten, noch
konnten und weil sie eine
Internationalisierung der Reformforderungen, die zum Sturz ihrer eigenen Macht
führen könnte, fürchteten. Die Begründung für die Niederschlagung – dass es in
der Tschechoslowakei in 1968 um eine Konterrevolution ging, sind völlig falsch.
Laut eine Umfrage sprachen sich im Juli 1968 89% der tschechoslowakischen Bevölkerung für eine Beibehaltung des Sozialismus aus. Etwa
500 000 Kommunisten wurden nach der Niederschlagung von der Partei
ausgeschlossen. Selbst der Westen unternahm nichts, außer die Ereignisse zu
seinen Propagandazwecken zu benutzen. Keiner da wollte eine Reformierung bzw.
eine Stärkung des Kommunismus.
Hauptsache ist, dass die
tschechoslowakischen Ereignisse deutlich gezeigt hatten, dass eine totale Krise des Ostblocks im Gang war
und der richtige Zeitpunkt für die neue Ostpolitik gekommen war. Nach den
Unterzeichnungen der bilateralen Grundverträge (oft bezeichnet als Gewaltverzichtsverträge)
folgten ökonomische Vereinbarungen, und
der Bedarf des Ostens an westlicher Technologie und am Import
entsprechender Technik wurde immer mehr gesättigt. In der ersten Hälfte der
70er machten auch die Amerikaner mit und es kam zu mehreren und bedeutenden
Abrüstungsverträgen zwischen den beiden
Großmächten. Die Entspannungspolitik kulminierte in der Unterzeichnung
der Schlussakte von Helsinki auf der ersten Konferenz über Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (mit der Beteiligung der Vereinigten Staaten und
Kanada) im August 1975.
Die Schlussakte von Helsinki ist von
fundamentaler Bedeutung für das Verständnis der Ostpolitik und deshalb werde
ich sie hier diskutieren. Sie ist kein völkerrechtlicher Vertrag, sondern
eine selbst verpflichtende Erklärung
aller 35 Teilnehmerstaaten. Sie besteht aus vier Abschnitten, von denen drei
von prinzipieller Bedeutung sind. Abschnitt 1 „Fragen der Sicherheit in Europa“
enthält zehn Leitprinzipien, darunter Enthaltung von der Androhung oder Anwendung
von Gewalt, Unverletzlichkeit der Grenzen in Europa, Territoriale Integrität,
Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, Achtung der Menschenrechte und
Grundfreiheiten, sowie ein Dokument über vertrauensbildende Maßnahmen.
Abschnitt 2 behandelte die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft,
Wissenschaft, Technik und Umwelt. Abschnitt 4 behandelte Grundsätze der
Zusammenarbeit in humanitären und kulturellen Bereichen und sah die Entwicklung
von menschlichen Kontakten vor (gemeint waren Kontakte und regelmäßige
Begegnungen auf der Grundlage familiärer Bindungen, Familienzusammenführung,
Eheschließungen, Reisen aus persönlichen oder humanitären Gründen, Begegnungen
der Jugend, die Verbesserung der Verbreitung von, des Zugangs zu und des
Austausches von Informationen, Verbesserung der Arbeitsbedingungen für
Journalisten, Zusammenarbeit und Austausch im Bereich der Bildung).
Ich möchte noch einiges zum Kapitel
VII „Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Gedanken-,
Gewissens-, Religions-, oder Überzeugungsfreiheit für alle achten“ des
Abschnitts 1 hinzufügen. Sowohl der Titel des Kapitels als auch seinen Text
zeigen eindeutig, dass die Schlussakte die westliche Interpretation der
Menschenrechte, also die individuelle Rechte, und nicht die östliche
Interpretation, also die soziale Rechte anerkannt hat. Also in der Schlussakte
geht es nicht um Konvergenz, sondern um eine echte Kapitulation des Ostens. Was
die individuelle Menschenrechte angeht, soll man nicht vergessen, dass im
Westen ein bedeutender Teil der Staatsgewalt durch die Organisierte
Kriminalität verwirklicht wird, während im Osten keine Organisierte
Kriminalität existierte und existieren konnte. Dazu sind Entlassungen vom
privaten Sektor wegen politischem Aktivismus keine Verantwortung des Staates,
während im Osten die ganze Wirtschaft vom Staat kontrolliert wurde. Zusätzlich
wurden in diesem Kapitel die Rechte der Repräsentanten der Minderheiten
hervorgehoben. Die Grenzen der westeuropäischen Länder sind viel älter als
diese der osteuropäischen und zur Zeit der Unterzeichnung der Schlussakte
hatten die ersten entweder keine Minderheiten oder die Beziehungen zu den
Minderheiten waren längst geregelt. Dagegen haben die osteuropäischen Länder
ausnahmslos bedeutende Grenzänderungen im 20. Jahrhundert erlebt, wobei nicht
nur fast überall nationale Minderheiten zu sehen waren, sondern es ging oft um
ethnische und zugleich religiöse, einschließlich muslimische Minderheiten.
Kapitel VII hat die Begründung für die
Einmischung des Westens im Osten geschafft, während Abschnitt 4 die Kanäle
dieser Einmischung deutlich machte. Die Schlussakte von Helsinki bleibt bis
heute das beste Meisterstück der Anwendung der „sanften Macht“ („soft power“)
und das meist überzeugende Zeugnis ihrer Wirkung. Nach der Unterzeichnung
dieser Akte war der Zerfall des sozialistischen Systems nur eine Frage der
Zeit. Jahrzehnte, um die kommunistische Ideologie zu bekämpfen, musste der
Westen den sozialen Staat unterhalten, die Einkommen der Bevölkerung erhöhen
und die bürgerlichen Rechte wenigstens in seinen eigenen Ländern formell zu
respektieren. Das alles hat nach der Unterzeichnung der Schlussakte von
Helsinki aufgehört und das Signal dazu wurde vom Klub von Rom gegeben. Nicht
zufällig genau im 1975 erschien das Buch von Samuel Huntington „Die Krise der
Demokratie“ in der der Verfasser behauptet, dass der Überschuss von Demokratie
eine Gefahr für den Westen darstellt.
Die Schlussakte von Helsinki war
zugleich ein Meisterstück der Gemeinheit und der Doppelmoral. Nicht nur weil
diejenigen, die in den 70er die Menschenrechte verteidigten, heute den
Menschenhandel treiben. Nehmen wir die Forderung für Begegnungen der Jugend.
Zurück Anfang der 50er haben die westdeutschen Behörden alles Mögliche gemacht,
um Treffen der Jugend aus beiden Teilen Deutschlands zu verhindern. Selbst die
Beteiligung an solchen Treffen war für die westdeutschen Jugendlichen strafbar.
Ein Beispiel: Für den ersten Deutschlandtreffen in 1950 musste man die
westdeutschen Teilnehmer (etwa 10 000 Jugendliche) eigentlich in die DDR
schleusen. Beim Rückkehr nahe Lübeck wurde ihnen die Rückreise in die
Bundesrepublik verweigert wegen angeblicher Seuchengefahr und man verlangte von
ihnen sich ärztlicher Untersuchung und namentlicher Registrierung zu unterziehen. Wegen Furcht vor beruflichen Nachteilen haben
die Jugendlichen abgesagt und man erlaubte ihnen die Einreise ohne Formalitäten
erst nur nachdem sie zwei Tage auf der DDR-Seite des Grenzübergangs kampiert
hatten. Was die Nazis in 1950 bestraften, genau das forderten sie 25 Jahre
später von den Ostländern. Fast 30 Jahre nach dem Sieg des Westens im Kalten
Krieg stellen sich die Fragen: gibt es noch Prinzipien aus der Schlussakte, die
der Westen nach seinem Sieg nicht verletzt hat und wie viele dieser Prinzipien
hat er mit seiner Politik nur gegenüber Jugoslawien abgebrochen.
Die Leiter des Ostblocks, die immer
mehr mit dem Einfuhr von westlichen Technologien und Ausrüstung rechneten und
von diesem Einfuhr immer mehr abhängig wurden, hatten erwartet, dass mit der
Unterzeichnung der Schlussakte ihr künftiger Bedarf an Technologien garantiert
sein würde. Bald mussten sie aber lernen, dass die wirtschaftliche und
technologische Zusammenarbeit mit dem Westen von ihrer Beachtung der
Menschenrechte und von ihrer Zusammenarbeit in der humanitären Sphäre abhängig
waren. Maßmedien, Geheimdienste, „unabhängige Organisationen“ - die ganze
westliche Maschine wurde in Gang gesetzt, um den Ostblock zu destabilisieren.
Bald entstanden Bewegungen von Regimekritikern in den meisten osteuropäischen
Ländern wie Charta 77 in der Tschechoslowakei und Solidarnosc in Polen. Mit
Ausnahme von Polen waren diese Bewegungen, trotz ihrer Unterstützung vom Westen
und wegen der mangelnden Unterstützung von der Bevölkerung, zu schwach um den
Zerfall des Systems hervorzurufen. Kein Sturz des Systems von unten, auch in
Polen, war in Sicht. Unter diesen Umständen unternahm der Westen eine neue
Verteilung der Arbeit und der Rollen. Während die Angelsachsen einen Kursus der
Konfrontation zwecks einer Erschöpfung bis zum Zerfall des Ostblocks
einleiteten, setzte Westdeutschland seine Ostpolitik der Entspannung fort und
sogar erweiterte sie mit dem Erdgasgeschäft mit der Sowjetunion. Dieses
Geschäft versorgte die BRD mit billigem Gas, was ihre Wirtschaft noch
konkurrenzfähiger machte, während die Sowjetunion sich harte Währung verdiente,
mit der sie weitere Technologien und Ausrüstung, schon vor allem aus Ländern
wie Deutschland, Österreich und Italien weiter kaufen durfte. Aber dieses
Erdgasgeschäft, wie auch das wachsende Erdölgeschäft, spielte eine
geopolitische Rolle, die fast nicht erwähnt worden ist. Durch dieses
Geschäft hat man im großen und ganzen die sowjetische Wirtschaftsnomenklatur,
unter der der Export von Mineralrohstoffe stand, nicht einfach bestochen,
sondern gekauft. Bestechungen, Korruption und Bereicherung der Elite
gehörte zum sowjetischen Alltag in den 80ern Jahren. Dieses Geschäft erlaubte
aber ein unbekanntes Ausmaß der Bestechungen – erstens, wegen der Größe der
Geschäfte, und zweitens, ihr Exportcharakter erlaubte Bankkontos im Westen zu
öffnen, was jegliche Begrenzungen für die Summen abschaffte. Das könnte nicht
lange dauern, ohne man die KGB Strukturen, die die Erdgas- und Erdölindustrien
beobachteten, an sich zu gewinnen, also zu kaufen. Bemerkenswert ist, dass
spätere Reformer wie Anatoly Chubais und selbst Michail Gorbatchov vom KGB-Chef
Yuri Andropov promoviert wurden.
Kurzum, schon vor Gorbatchov's
Eintritt bildete sich eine machtvolle und sehr reiche Schicht in der Sowjetunion,
die den Sozialismus abschaffen wollte, weil sie ihr Reichtum legalisieren
wollte und die von ihnen verwalteten Staatsaktiva für sich privatisieren
wollte. Genau diese Schicht wurde die Antriebskraft der Perestroyka und des
Zerfalls des Sozialismus. Die Umwandlungen im Ostblock sind vor allem eine
Revolution von oben. Die Rolle der Dissidenten bestand in den meisten
Ländern vor allem darin, „“leitende“ Kadern ("neue politischen Gesichter")für die Umwandlungen zu besorgen
(die Hauptpersonen bevorzugten nach westlichem Muster selber im Schatten zu
bleiben) und genügend Mengen von Menschen zu sammeln, so dass sie bestimmte
Stadtteile (wie Stadtplätze) ausfüllen konnten um den Eindruck zu schaffen,
dass die Völker rebellierten. KGB hat ihren Einfluss und Netzwerke in Osteuropa
auf Anweisung von Gorbatchov dazu ausgenutzt, die Umwandlungen und der Sturz
der ehemaligen Verbündeten der Sowjetunion, oftmals in enger Zusammenarbeit mit
westlichen Geheimdiensten, einschließlich und vor allem mit CIA,
voranzutreiben. Die Belohnung darüber war, dass die Neuen Reichen in Russland
unbegrenzt nach Westen reisen und dort Bankkontos eröffnen und Immobilien
einkaufen durften. Während man den größten Teil der Beute von dem Raub
Russlands nach Westen transferierte (offiziell ging es um jährliche Summen
nicht weniger als 40 – 50 Milliarden Dollars), bettelte die russische Regierung
den Westen in den 90igern um teure Löhne von nur einigen Milliarden Dollars.
Ich bezeichne die
Neue Ostpolitik und ihr Beitrag zum Sturz des Sozialismus und der Sowjetunion als
die große Revanche des deutschen Nazismus für die Niederlage, die das Dritte
Reich von der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg erlitten hat.
Die Ursachen für den Zerfall des
sozialistischen Systems (und der Zerfall der Sowjetunion ist eine Folge des
Zerfalls dieses Systems) liegen Im System selbst, aber durch die Schlussakte
und seiner Politik der Entspannung stellte der Westen sicher, dass sich der
Ostblock nicht mehr entwickeln würde und beschleunigte seinen Zerfall.
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